Neuzeitliche Überschüttung aus Boden- und Sedimentmaterial
Boden des Jahres 2026
Der Archivboden
Jeder Boden ist ein Archiv, da seine Merkmale die natürlichen und menschlichen Einflussfaktoren seiner Entwicklung speichern. Böden, die von Ablagerungen bedeckt werden, archivieren frühere Klima- und Umweltbedingungen und werden als Paläoböden bezeichnet. Böden sind zudem ein Archiv für Spuren und Gegenstände früherer Kulturen. Mit geeigneten Methoden lassen sich die Bodenarchive entschlüsseln.
Wasser, Luft und Organismen verändern stetig Strukturen und Materialien im Bereich der Erdoberfläche. Spuren früherer Entwicklungen werden im Laufe der Zeit durch fortschreitende Bodenbildung überprägt. Durch die Wühltätigkeit von Bodenlebewesen (Bioturbation) können Artefakte in die Tiefe befördert werden. Sedimente konservieren die Bildungen früherer Oberflächen, sofern diese nicht erodiert sind. In trockenen (Wüsten) und/oder kalten Klimaten (beispielsweise mit Permafrost) sind Zersetzungsprozesse stark verlangsamt. Bei dauerhafter Wasserbedeckung (reduzierende Bedingungen) wird organische Substanz (z.B. Holz, Leder, Pollen) nicht zersetzt und dadurch ebenfalls erhalten.

Während der Eiszeiten wurde die Schweiz tiefgreifend umgestaltet, sodass nur wenige voreiszeitliche Bodenreste erhalten sind. Uralte Bodenbildungen finden sich in Gesteinsserien von Jura und Molasse. Eiszeitliche Paläoböden können in Schottern und Lössen enthalten sein.
In der Regel handelt es sich bei den Schweizer Böden um nacheiszeitliche Archive, die überwiegend durch menschliche Einflüsse überprägt sind. Gerade im Kulturland sind Archive in durch Hangprozesse verlagerten Sedimenten (Kolluvien) weit verbreitet. Entlang von Seeufern finden wir Spuren der Pfahlbaukultur. Auch die Kelten und Römer prägten die Bodenlandschaft. Wölbäcker sind eindrucksvolle Zeugnisse mittelalterlicher Landnutzung. Landschaftsumgestaltungen und Bautätigkeiten führen bis heute zur Bildung und Zerstörung von Bodenarchiven.
Forschungsgrabungen sind in der Schweiz eher selten. Zumeist handelt es sich um Rettungsgrabungen im Zuge von Bautätigkeiten. Dabei werden vielversprechende Bereiche schichtweise abgetragen und detailliert dokumentiert. Vom Bagger bis zum Pinsel finden sich vielerlei Werkzeuge zur Freilegung und Bergung der Funde.
Ziel ist die Überführung aller Informationen aus dem Bodenarchiv in die archäologische Dokumentation. Diese besteht aus Fotos, Plänen, Beschreibungen und einer exakten Einmessung. Funde wie Scherben, Knochen oder Metallgegenstände werden geborgen. Sie erlauben eine erste zeitliche Einordnung der archäologischen Hinterlassenschaften.
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I
II
Feines Sediment mit Stauwassermerkmalen
III
Dunkle Schichten der römischen Nekropole (Bestattungsort) mit zahlreichen Funden
IV
Zwischen Jungsteinzeit und Eisenzeit verlagertes Bodenmaterial
V
Waldboden aus Ufersediment mit Funden aus der Mittelsteinzeit
V
Am Ufer des Genfersees aufgearbeitete Schmelzwassersedimente
VI
Sandig kiesige Schmelzwasserablagerungen des sich zurückziehenden Rhonegletschers
Steckbrief
Wir beschreiben eine vorläufige Interpretation dieses eindrucksvollen Archivbodens, der aus 14 Horizonten in sechs Hauptschichten (I-VI) besteht. Dabei gehen wir chronologisch vor.
Ganz unten liegen sandig-kiesige Schmelzwasserablagerungen (VI) des sich zurückziehenden Rhonegletschers.
Die Sedimente wurden am Ufer des jungen Genfersees aufgearbeitet (V). Nach einem Absinken des Seespiegels und der folgenden Wiederbewaldung bildete sich ein Boden, welcher Funde der Mittelsteinzeit enthält, noch vor der Sesshaftwerdung des Menschen.
Zwischen der Jungsteinzeit und der Eisenzeit wurde die Gegend gerodet und es lagerten sich mächtige Kolluvien ab (IV).
Die Römer nutzten den Ort als Bestattungsort (Nekropole genannt), der im Fokus der gegenwärtigen Grabung steht. Über den schwarzen Nekropolschichten (III) findet sich feines Sediment (II). Der daraus entstandene Boden ist schwach entwickelt und zeigt Rostflecken durch Stauwassereinfluss. Er wurde neuzeitlich mit Boden- und Sedimentmaterial überschüttet (I).
Ort
Lausanne - Prés-de-Vidy (VD), 385 m.ü.M
Weiterdenken
Blick in die Zukunft: Welche Zeugnisse werde ich einmal im Archiv der Böden hinterlassen?
In einem kleinen und seit Jahrtausenden besiedelten Land wie die Schweiz ist es schwierig noch wahrlich unberührte Natur zu finden. Der Mensch hinterliess seine Spuren, wo immer er sich niederliess: Wälder wurden gerodet (Erosion), Feuer gemacht und Kohle produziert. Rohstoffe wurden abgebaut und Ackerbau betrieben. Bauten und handwerkliche Einrichtungen wurden errichtet; manchmal vergraben (Latrinen, Brenngruben, Grablegen).
Selbst indirekt nahm und nimmt der Mensch Einfluss auf die Bodenentwicklung, etwa durch Landnutzungsänderungen, die einen Einfluss auf Erosions- und Sedimentationsdynamiken haben, sowie den Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf. Klimatische Veränderungen führen zu veränderten Temperatur- und Niederschlagsbedingungen, die wiederum die bodenbildenden Prozesse beeinflussen.
Der Mensch veränderte die Böden nicht nur durch die Nutzung der Böden als Ackerland oder zur Extraktion von Rohstoffen, er brachte auch Materialien ein, wie Abfälle.
Heute entstehen weitreichende Eingriffe in Böden durch Deponien, Abbaustellen sowie Siedlungs- und Infrastrukturbauten. Doch auch die Weiternutzung dieser Flächen sowie Renaturierungen geben Hinweise auf unser Verhalten.
Neu entwickelte, hochkomplexe Chemikalien und Materialien wie Kunststoffe werden von uns alltäglich verwendet und lassen sich auch zukünftig im Boden wiederfinden. Gegenstände aus Kunststoff oder Glas können Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende im Boden überdauern. Die kommunalen Haushaltskehrichtdeponien der 1960-1990er Jahre widerspiegeln beispielsweise eine breite Fülle an Informationen aus dem Alltag der Menschen, sofern diese nicht saniert wurden.
Heute wird unser Abfall jedoch verbrannt und unser Wissen digital und nicht mehr physisch abgespeichert. Die digitalen Informationen und somit kulturellen Vermächtnisse der heutigen Generation können so schnell verloren gehen.
Medienmitteilung
Unter folgendem Link finden Sie die Medienmitteilung zum diesjährigen Boden des Jahres. Wenn Sie wünschen, können Sie auch mit der Geschäftsstelle der BGS Kontakt aufnehmen.
Trägerschaft
In der Schweiz wird die Aktion «Boden des Jahres» von der Bodenkundlichen Gesellschaft der Schweiz (BGS/SSP) getragen.
Die BGS-SSP wirkt als Fachverein aktiv am politischen Prozess mit. So hat sie bereits in den 70er und 80er Jahren auf den ungenügenden Schutz des kostbaren Umweltguts «Boden» hingewiesen und die Verankerung des Bodenschutzes im Umweltschutzgesetz erwirken können.
Die BGS-SSP setzt sich für die Erforschung und die Erhaltung der Böden als lebenswichtige Ressource ein. Sie vereinigt Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Praktikerinnen und Praktiker und Fachleute aus der Verwaltung aus allen Regionen des Landes. Die BGS/SSP ist Mitglied der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften(scnat).
Eine Arbeitsgruppe von 4 bis 6 Mitgliedern der BGS/SSP bestimmt jeweils zu Beginn eines Jahres den für das nachfolgende Jahr als «Boden des Jahres» zu kürenden Boden. Sie bereitet anschliessend die für die öffentliche Deklaration am 5. Dezember - dem Weltbodentag - die nötigen Unterlagen vor. Das Vorgehen ist in der Geschäftsordnung der BGS-SSP zur Aktion «Boden des Jahres» festgelegt.
Die BGS-SSP koordiniert die Deklaration des «Boden des Jahres» inhaltlich nach Möglichkeit mit den Aktivitäten anderer Organisationen im Umweltbereich und schafft auf diese Weise Synergien.
| Arbeitsgruppe «Boden des Jahres» | Tobias Sprafke (HAFL) Alessandra Musso (myx GmbH) Nicole Hubel (Fachstelle Bodenschutz ZH) Nathan Pythoud (SoilCom GmbH) Benjamin Kuster (SoilCom GmbH) Laura Büchler (BABU GmbH) |
| Grafik | Silvia Ringgenberg (unikum.ch) |
| Fotos Titel und Steckbrief | © Tobias Sprafke (HAFL) & Archeodunum Investigations Archéologiques SA Diese Ausgrabung wurde unter der Genehmigung der kantonalen Archäologie (DGIP-DAP-AC) durchgeführt, welche auch die Aufsicht übernahm. |
| Übersetzung | F: Roxane Tuchschmid, Stéphane Burgos I: Marco Rossi, Giorgia Fauth und Daniele Moro |
| Review | Markus Egli, Katharina Schäppi, Philippe Rentzel, Judit Deák, Romain Guichon, Anaël Lehmann |
Geschäftsstelle BGS-SSP
c/o ZHAW, Forschungsgruppe Bodenökologie
Postfach
CH-8820 Wädenswil
+41 (0)58 934 53 55
bgs.gs@soil.ch
GruppenleiterInnen: Tobias Sprafke (tobias.sprafke@bfh.ch) und Alessandra Musso (musso@myx.ch)
Online-Inhalt: Nicole Hubel (nicole.hubel@bd.zh.ch) und Laura Büchler (laura.buechler@babu.ch)
Links, Downloads und Bestellungen
Bestellungen gehen an die Geschäftsstelle.
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